Ilsabe Schülke

Zu den Bildern von Irina und Marina Fabrizius

Es sind wohl vielschichtige Prozesse, die in einem Fabrizius-Bild mit unterschiedlicher Gewichtung zu einer eindeutigen Bildaussage zusammenlaufen können. Im folgenden kurzen Text wird versucht, das ästhetische Bezugsfeld aufzuschlüsseln, beginnend mit dem Standort des Betrachters über kunstgeschichtliche Bezüge und Begriffe der ästhetischen Theorie zur Realisierung des Bildes, den Bildelementen und Momenten der Erinnerung.

Wahrnehmung und Imagination
Wiederkehrendes Element in Bildern, deren Farbflächen assoziativ über den Bildrand hinaus gedacht werden können, ist eine Mittellinie, ein Wahrnehmungs- und Gestaltungsmuster, das "eine Vorstellung von Halt" (Fabrizius) erzeugt. Die nach oben und unten variierten Farbflächen bleiben auf sie bezogen, auf dieser schmalen Ebene werden Form und Inhalt des Bildes quasi neutralisiert. Bildbezeichnungen wie "Landschaft - Strich - Farbe" weisen auf Bildelemente sowie auf landschaftliche Elemente hin. Der Betrachter befindet sich an einer Schnittstelle von Wahrnehmungs- und Vorstellungsbild.

Nähe und Ferne
Das Bild bietet dem Betrachter in erster Linie Farbe und Fläche als Farbfläche, als Bildfläche. Erst dann entwickelt sich der Bildraum, ein imaginärer Raum, vielleicht mit Landschaftsbezug durch Wahrnehmung und Deutung eines Horizontes. Die räumliche Tiefe und gleichzeitige Flächenhaftigkeit des Bildes, die landschaftlichen Elemente und ihr gleichrangiger abstrakter Wert als Bildelement machen diese Bilder zu Bilderfindungen auf einem ungesicherten Terrain zwischen visueller Vorstellung und ästhetischer Intention.

Abbild und Gebilde
"Der Auseinandersetzung des Künstlers mit der Wirklichkeit stehen zwei grundsätzliche Möglichkeiten zur Wahl: die Nachahmung, dann ist sein Ziel die Illusion, er gibt ein Abbild, ein Scheinbild; oder er will Bedeutungen anschaulich hervorrufen, das empirische Erscheinungsbild in ein akausales Gefüge umprägen, Formen nicht nachvollziehen, sondern eigensinnig erfinden, kurz: nicht Wahrnehmungs-, sondern Vorstellungsbilder gestalten..." (Worringer, 1908)

Abstraktion und Einfühlung
In der Konsequenz bezeichnen die Malerinnen ein Bild nicht als Sonnenauf- oder untergang, sondern mit "Sonne, Strich". Auf einer neuen Ebene entwickeln sie Zeichen: die Kreise im Quadrat lassen dem Betrachter kaum mehr die Möglichkeit, inhaltliche Ähnlichkeiten aufzufinden oder sie auf ein vergleichbares Thema zurückzuführen sowie dies noch naheliegt bei Strich = Horizont. Ein Bild wie "Quadrat Gold" legt jedoch eher die gedankliche Assoziation nahe, von Kostbarkeit, Stille und Ausstrahlung der Fläche.

Die innere Landschaft, Rückbezug und Projektion:
C.D.Friedrich
Im Zusammenhang mit den Kreisen im Quadrat malten die Künstlerinnen 2016 das Bild eines Mondes, eines Kreiselements in dem dunklen Bildgrund einer Nacht. Das Thema des Mondes war ein Motiv der Romantik, insbesondere bei C.D.Friedrich, auf den sich auch die Malerinnen beziehen. Welcher gegenwärtige Landschaftsmaler könnte sich auch dem Einfluß von Friedrichs romantischen Landschaftsbildern entziehen. Der gemalten "unerreichbaren Ferne, lichterfüllt und dunstverschwommen zugleich,"..." dem Nachtlicht, das vom beschreibenden Bild zu einer magischen Wirklichkeit überleitet", ... "dem Gegenüber von Innen und Außen in der Ikonografie des Fensters" (Ch. Sala: C.D. Friedrich).

Die Entwicklung
Im Rückblick auf den großen historischen Maler und seine Wirkung kann man ein Fensterbild der Malerinnen nennen neben weiteren frühen Arbeiten "Das Dorf" und "Der Beobachter" von 2011, sowie im Hinblick auf ihre Entwicklung drei noch frühere abstrakte Bilder von 2010, Bilder ohne Titel - ein Quadrat im Quadrat, eine fast monochrome quadratische Fläche und eine bildteilende Horizontale, Bilder in einem bläulichen Grundton, die fast programmatisch auf die spätere Arbeit hinweisen.

Der Malprozess
"Ein Bild hat etwa 10 bis 20 Lasurschichten. Wegen der längeren Trocknungsphasen werden für ein Bild bis zu 8 Monate benötigt. Die Konzeption des Bildes steht schon zu Beginn fest, die Farbmodfizierung kann sich im Lauf der Arbeit ändern." (Fabrizius)
Konzeptioneller Ansatz und Realisierung des Bildes greifen ineinander, der Arbeitsprozess korrigiert sensibel die Bildentstehung. Im fertigen Bild korrespondiert die Flächigkeit des Bildes mit dem Tiefenraum des Bildes. Dazwischen liegt die Arbeit: immer erneutes Auftragen von Lasurschichten, bis sich Konzept oder Vorstellung mit dem Bildresultat decken, in Einklang gebracht sind. Wie Form, Farbe und Licht die Vor- stellung und Realisierung von Bildern bestimmen und eben nicht ein enges, vorgefasstes Konzept, mögen Bildtitel aus dem Jahr 2016 zeigen, "dem Jahr der monochromen Bilder" (Fabrizius): Ohne Titel (Kreis ultramarin). Mond. Ohne Titel (Quadrat gold). Landschaft (Strich rosa). Strich gelb, weiß. Spiegelung magenta. Sonne rot. Ultramarin im Grau.

Rot zu Magenta
Die Malerinnen verwenden traditionelle Ölfarben, feine Pigmente von Mussini. Manche ihrer Bilder scheinen mit den drei Farben der virtuellen Medien und ihren Mischungen oder zumindest mit Spektralfarben gemalt zu sein, weil sie im Bild eine eigenartig irisierende Wirkung entfalten. Sie haben jedoch auch immer einen Bezug zu Naturerscheinungen. Auch die sogenannten Nichtfarben Schwarz und Weiß werden wie Farben behandelt und in die Farbskala eingebunden.

Das Licht
"Wo kann man das Licht am besten sehen?" fragen die Malerinnen, "in der Landschaft, als Spiegelung, das Brennen, ein Licht, das sich bricht." Doch geht es auch darum, die Lichterscheinungen in der Natur umzusetzen in ein Bild, mit den Licht - Lasur - Werten der Farbe und mit transzendenten Farflächen, die sowohl das Licht von Naturerscheinungen wie auch Elemente der Atmosphäre enthalten.

Landschaftliche Elemente
Himmel, Horizont, Wasser, Erde, Sand, die Sonne, Nebel und Dunst, Frost - solche Elemente der Natur sind immer wieder in Fabrizius - Bildern assoziierbar, auch von den Malerinnen selbst. Zum "Quadrat Coelinblau in Grünbraun" sagen sie: "... Erinnerung, wie Wasser über Land schwabbt. Wasser und Sand, der grünlich- bräunlich schimmert. Mischfarben - Sandfarben, klares Blau - Wasser. Das Empfinden entsteht nur, wenn man das eine Element mit dem gegensätzlichen in Verbindung bringt."

Feuerbild - Strich Gelb
Ein frühes Bild von 2009 stellt Feuer dar, Rauch und Reste von Gegenständen. Es hing beim Rundgang der Kunstakademie in der Brandl-Klasse und befindet sich auch in dieser Ausstellung. So wird im Bezug zu einem der zuletzt gemalten Bilder, dem Bild der Einladungskarte "Strich gelb" von 2017 doch deutlich, wie stark sich die Malerinnen von der gegenständlichen Bedeutung und Interpretation gelöst und sich den Bildwerten, dem Artefakt zugewandt haben.

Ilsabe Schülke